- Körperzentrierte Achtsamkeit
(Übernommen von: www.drlaurenceheller.com)
In neueren Jahren hat sich die Rolle der Selbstregulierung als wichtiger Aspekt psychologischen Denkens durchgesetzt. Das neuroaffektive relationale Modell™ überträgt den aktuellen Kenntnisstand zur Selbstregulierung in die klinische Praxis. Der Schwerpunkt dieses ressourcenorientierten, nichtregressiven Modells liegt darauf, dem Einzelnen zu helfen, mit jenen Anteilen in sich in Kontakt zu gelangen, die organisiert und kohärent und einwandfrei funktionieren. Es wirkt darauf hin, Organisation in jene Anteile zu bringen, deren Organisation und einwandfreies Funktionieren gestört sind, ohne die regredierten, dysfunktionalen Elemente zum primären Gegenstand der Therapie zu machen.
Zentrale Prinzipien
Im Mittelpunkt des NARM-Ansatzes stehen die fundamentalen Aufgaben, die im Zuge unserer biologischen und psychologischen Entwicklung zu erfüllen sind
sowie deren funktionelle Einheit. Das NARM-Modell:
Bildet einen integrierten Ansatz mit therapeutischer Ausrichtung auf das Nervensystem wie auch auf die Beziehungsebene.
Ermöglicht entwicklungspsychologisch sinnvolle klinische Interventionen basierend auf achtsamer Beobachtung somatischer Phänomene und einer starken Ressourcenorientiertheit, um so nachhaltig die Selbstregulierungskräfte des Nervensystems zu verankern.
Setzt klinisch an der Nahtstelle zwischen psychologischen Problemstellungen und dem Körper an. Hierbei erleichtert es den Zugang zu den Selbstregulierungsfähigkeiten des Körpers und unterstützt die Reregulierung des Nervensystems.
Fünf organisierende Entwicklungsthemen
Es gibt fünf zentrale Ressourcen und mit ihnen verbundene entwicklungspsychologische Lebensthemen, die sich darauf auswirken, wie gut
es uns gelingt, im Hier und Jetzt vollauf bei uns selbst und anderen zu sein:
Kontakt. Wir haben das Gefühl, auf diese Welt zu gehören. Wir sind in Kontakt mit unserem Körper und unseren Gefühlen und sind zu durchgängigen Beziehungen zu anderen imstande.
Bedürfnisse. Wir wissen, was wir brauchen und sind in der Lage, auf andere zuzugehen, wenn wir ihre Fürsorge und anderes an Nährendem von ihnen brauchen. Wir können uns an der reichen Fülle des Lebens erfreuen.
Vertrauen. Wir haben ein inhärentes Selbstvertrauen und Zutrauen zu anderen. Wir fühlen uns sicher genug, um gesunde wechselseitige Abhängigkeitsverhältnisse mit anderen zu erlauben und uns auf sie zu verlassen.
Autonomie. Wir können nein sagen und anderen gegenüber klare Grenzen setzen. Wir sagen, was wir denken, ohne dabei von Schuldgefühlen oder Angst geplagt zu sein.
Liebe. Unser Herz ist offen und unser Nervensystem im Gleichgewicht, was liebevolle Beziehungen und eine gesunde Sexualität unterstützt.
In dem Umfang, in dem diese fünf Grundbedürfnisse erfüllt sind, bleiben wir im Fluss und in gutem Kontakt mit uns selbst. Wir begegnen unserem Umfeld mit einem Gefühl der Sicherheit und mit Vertrauen. Wir haben das Gefühl, innerlich im Lot zu sein und erleben eine gewisse Ausdehnung. In dem Maße, wie für diese Grundbedürfnisse nicht gesorgt ist, entwickeln wir bestimmte Überlebensstrategien, um den fehlenden Kontakt und die gestörte Regulierung zu bewältigen.
Auftakt zu einem fundamentalen Umdenken
Während in der psychodynamisch ausgerichteten Psychotherapie vieles auf das Erkennen von Pathologischem ausgerichtet war und ein
starker Fokus auf Problemen lag, ist NARM ein Modell für Therapie und persönliches Wachstum, bei dem vorhandene Stärken ebenso sehr im Blickpunkt der Arbeit stehen wie Symptome. NARM lenkt den
Blick auf vorhandene innere und äußere Ressourcen, um die Ausbildung einer zunehmenden Selbstregulierungsfähigkeit zu unterstützen.
So unüberschaubar die Bandbreite physischer und emotionaler Symptome wirken mag – als Kern der meisten psychologischen und vieler physiologischer Probleme lässt sich immer wieder eine Störung im Hinblick auf eines oder mehrere organisierende Themen in Verbindung mit diesen fünf Überlebensstrategien beobachten.
Anfänglich stellen diese Überlebensstrategien eine geglückte Anpassung an bestehende Gegebenheiten dar – sie sind nicht etwa pathologisch, sondern stehen für Erfolge. Da unser Gehirn jedoch auf Vergangenes zurückgreift, um die Zukunft zu prognostizieren, bleiben diese Überlebensstrategien fest in unserem Nervensystem und unserer Identität gespeichert. Überdauern sie jedoch auch noch dann, wenn sie keinen Nutzen mehr haben, so stören sie dauerhaft den Kontakt zu sich selbst und zur eigenen Umgebung. Der Fortbestand von Überlebensstrategien, die in der Vergangenheit einmal angemessen waren, bewirkt dann eine Verzerrung des aktuellen Erlebens in Verbindung mit den entsprechenden Symptomen.
Bei NARM ruht der Focus weniger darauf, warum jemand ist, wie er ist und mehr auf der Frage, wie seine Überlebensstrategie sein Erleben des derzeitigen Moments verzerrt. Damit soll nicht gesagt werden, dass das Warum der persönlichen Lebensgeschichte grundsätzlich nicht in den Prozess eingebunden wird. Nachzuvollziehen, wie bestimmte Muster begannen, kann für Klienten durchaus hilfreich sein und ist wichtig, soweit es sich auf das Erleben der Gegenwart auswirkt.
Der Metaprozess
In jeder therapeutischen Tradition steckt ein impliziter Metaprozess. Der Metaprozess lehrt Klienten, bestimmte Elemente ihres Erlebens besonders zu
beachten und andere zu ignorieren. Konzentrieren sich Therapien auf Defizite, Schmerz und Fehlfunktionen, bekommen Klienten Routine darin, sich auf Defizite, Schmerz und Fehlfunktionen zu
konzentrieren. Analog hierzu reduziert eine Ausrichtung auf die Schwierigkeiten der Vergangenheit nicht in hinreichendem Maße Fehlfunktionen und verbessert auch nicht die Selbstregulierung.
Der Metaprozess für das NARM-Modell besteht in achtsamer Selbstbeobachtung im gegenwärtigen Moment.
Eine grundlegende Frage an Klienten lautet hier:
"Was hält mich jetzt in diesem Moment davon ab, im Hinblick auf mich selbst und andere vollständig präsent zu sein?”
Die Antwort auf diese Frage ergründen wir auf einer oder mehreren der folgenden Ebenen: der kognitiven, der emotionalen und der des Nervensystems.
Der Metaprozess von NARM beinhaltet zwei Aspekte von Achtsamkeit:
Bei NARM wird die persönliche Lebensgeschichte insoweit eruiert, wie Muster von früher sich störend auf die eigene Präsenz sowie den Kontakt mit sich selbst und anderen im Hier und Jetzt auswirken. Es wird ein lebendiger Prozess in die Wege geleitet, der Klienten aufbauend auf ihren Stärken eigene Beziehungs- und Überlebensstrategien hinterfragen lässt und ihnen hilft, bei den Schwierigkeiten ihres heutigen Lebens das Gefühl zu haben, selbst aktiv Handelnde zu sein.
Mit Hilfe einer geteilten Wahrnehmung, die stets im gegenwärtigen Moment verankert ist, entsteht eine Achtsamkeit für Muster, die in der Vergangenheit entstanden sind, ohne dass man dabei in die Falle tappt, die Vergangenheit wichtiger zu machen als die Gegenwart. Die Arbeit mit dem NARM-Ansatz verstärkt zunehmend den Kontakt mit sich selbst im gegenwärtigen Moment. Aus der Gegenwart heraus auf vorhandene Muster in Sachen Kontakt/Nichtkontakt, Regulierung/Deregulierung zu achten, hilft Klienten, mit ihrem Gefühl, selbst aktiv Handelnde zu sein, in Berührung zu kommen und sich weniger als Opfer ihrer Kindheit zu erleben.
Der Einsatz ressourcenorientierter Techniken, die über feine Veränderungen im Nervensystem funktionieren, erhöht die Wirksamkeit von Interventionen signifikant. Bei der Arbeit am Nervensystem anzusetzen, ist fundamental wichtig, um die gewohnheitsmäßige Erwartungshaltung des Gehirns zu durchbrechen. Wie mein Workshop zum Thema ausführlich darlegen wird, hat unser Kontakt mit unserem Körper und anderen einen heilenden Reregulierungseffekt. Von daher sind Verfahren, die auf einen besseren Kontakt mit sich selbst und anderen abzielen, Schlüssel zu einer wirksamen Wiederherstellung der Regulierung.
Von unten nach oben und von oben nach unten: die Bidirektionalität des NARM-Ansatzes
Unentwegt kursieren in uns Informationen vom Körper zum Gehirn und von Gehirn an den Körper. Ähnliche Informationsschleifen finden sich zwischen höheren und niederen Gehirnregionen.
NARM geht sowohl von oben nach unten als auch von unten nach oben vor. Verfahren, die auf den oberen Ebenen ansetzen, betonen Kognitionen und Emotionen und stellen primär diese in den Mittelpunkt. Verfahren, die an den unteren Ebenen ansetzen, konzentrieren sich auf den Körper, auf das Spürbewusstsein und auf instinktgesteuerte Reaktionen sowie deren Weiterleitung an die höheren Organisationsebenen des Gehirns über den Hirnstamm. Sowohl den einen, als auch den anderen Weg zu verfolgen, erweitert die Palette therapeutischer Werkzeuge erheblich.
Die Lebenskraft als Verbündete bei der Arbeit
Der spontane Bewegungsimpuls in uns allen führt in Richtung Kontakt. So sehr wir uns auch zurückgezogen haben und so isoliert wir auch sein mögen, so ernst unser Trauma auch sein mag, auf der tiefsten Ebene gibt es, ganz wie es eine Pflanze zum Sonnenlicht zieht, in jedem von uns einen Impuls, der zu vermehrtem Kontakt hinstrebt. Dieser organismische Impuls ist die Antriebskraft der Therapie.
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Mirja Wuttke
Dipl.Pädagogin
Heilpraktikerin für Psychotherapie
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